Achauer
Studio-Tagebuch
1.10.2003
Anreise. Sehr schön das alles. Sehr grün, sehr abseits vom Großstadt-Wirbel.
Diese Felder, diese Natur! So natürlich das alles! Das bisschen Kunstdünger,
das eventuell das Grundwasser in Mitleidenschaft gezogen hat, ist ja wohl
nicht der Rede wert. Trinken wir halt das Wasser nicht aus der Leitung,
sondern kaufen es beim Merkur. Ja, natürlich!
Es gibt sogar ein Swimming-Pool! Leider ohne Wasser, weil es Kurt irrtümlich
ausgelassen hat. Der diesbezügliche Knopf ist nämlich gleich
neben dem Aufnahme-Knopf am Mischpult. Und da ist leider ein Missgeschick
passiert. Um es kurz zu machen: Ein Wahnsinns-Take ist irrtümlich
nicht aufgenommen worden.
Ich bin zum
Kaffeeschlumpf ernannt worden. Der Stellenwert des Frontmans in der Band
ist auch nicht mehr das, was er einmal war.
2.10.2003
Wir fühlen uns hier schon sehr heimelig. Unglaublich, was herumliegende
Essensreste und Bierflaschen ausmachen.
Wir beginnen mit der Einspielung der Grundtakes. Dani ist eine große
Hilfe. Dani ist eine Audio-Engineering-Praktikantin, die Kurt mitgebracht
hat. Als "Coshiva" ist sie Ö3- bekannt und sogar schon
auf einem Ö3-Sampler drauf. Alle 20 Minuten ruft ein Ö3-Moderator
an und will mit ihr auf einen Kaffee gehen. Sie bleibt aber bei uns!
3.10.2003
Wir sehen uns plötzlich mit einer Fliegenplage konfrontiert. Somit
wird der Fliegenpracker nach dem PC und dem Mischpult das drittwichtigste
Arbeitsgerät. Der Preis für den schaurigsten "Ich kill
dich"-Blick geht eindeutig an Kurt. Den Massaker-Ausdauer-Preis kriegt
aber Francis. Immerhin legt er den Fliegenpracker nur mehr dann aus der
Hand, wenn er grade Bass aufnimmt, teilweise nicht einmal dann. Einmal
ist er sogar mit dem Fliegenpracker in der Hand eingeschlafen. Wollte
ihn ihm entwenden, aber denkste! Die Hand hielt ihn fest umschlossen,
Leichenstarrkrampf nichts dagegen. Imposant ist auch sein psychologisches
Einfühlungsvermögen, mit dem er einer Fliege, die immer wieder
entwischt, die Sinnlosigkeit ihres Tuns näherbringen will: "Geh
schau! Es muss doch sein! Sei doch vernünftig!"
4.10.2003
Die erste (und bisher einzige) Person, die abgewaschen hat, war Dani.
Wir sind zwar alle militante GegnerInnen von Geschlechtsstereotypen, aber
was hätten wir tun sollen?
5.10.2003
Beginn Gitarrenaufnahme. 70% der Zeit bin ich an der rechten Studiobox
gehangen, um ein bestimmtes Feedback zu erzeugen. Als wir es endlich geschafft
hatten, war Kurt so glücklich (bzw. betrunken), dass er während
meiner weiteren Aufnahme unbedingt für mich tanzen wollte. Wie ich
schon sagte, ich glaube, dass Fromtmännern früher mehr Ehrerbietung
engegengebracht wurde.
6.10.2003
Kati, unsere Fotografin, besucht uns. Wie bei allen FotografInnen sind
ihre ersten Worte: "Bei so wenig Licht kann ich unmöglich arbeiten!"
Nachdem wir zwei Scheinwerfer besorgt haben, lebt sie auf und ist uns
nicht einmal böse, dass die von ihr in Auftrag gegebenen Butterkeks
mit Schoko-Glassur offenbar zu lange in der Sonne gelegen sind. Gute Kati,
böser Merkur!
Francis, unser alter lichtscheuer Gruftie, leidet etwas unter den nun
geändertern Lichtverhältnissen. Aber er verkneift sich dankenswerterweise
ein "Bei so viel Licht kann ich unmöglich arbeiten!"
7.10.2003
Habe heute Wolfgang Ambros gesehen. Der probt nebenan mit seiner Band.
Hab sie belauscht, als sie "Hauptsoch is mir san beinaund!"
spielten. Er scheint in der Tat frisch verliebt zu sein. Sonst hätten
sie ja "du vastehst mi ned, jo, du schaust so bled" gespielt.
Peter Koller, sein Gitarrist, ist sehr nett und hat uns seinen Verstärker
geborgt. Der hat sich sicher gewundert (der Verstärker, nicht Peter
Koller), als er plötzlich zum ersten mal seit 30 Jahren keine Blues-Licks
bzw. -soli, sondern Schraddel-Gitarren verstärken muss. Vielleicht
spiel ich heut noch kurz "Schifoan", damit sich auch der Amp
heimelig fühlt.
8.10.2003
Wir kriegen langsam ein Platzproblem auf den Festplatten. In den letzten
Tagen sind wir auf die verschiedensten Festplatten ausgewichen. Das klappte
ganz gut, nur heute stellen wir uns Fragen wie: "Nachdem wir die
34 Gigabyte von Platte F auf Platte G kopiert haben, können wir die
18 Gigabyte auf Platte D doch löschen, um Platz zu schaffen, oder?
Oder war das gar nicht die Sicherheitskopie von Platte C, weil ja die
Audiodaten mittlerweile von E nach F geschaufelt worden sind?"
Mittlerweile hat unsere ausgeklügelte "Wir schaffen Platz auf
den Festplatten!"-Strategie dazu geführt, dass wir eine 500
Gigabyte-Festplatte neu gekauft haben.
9.10.2003
Herb hat leider die ausgedruckten Song-Texte vergessen. Er verspricht,
sich eine Erinnerungsnotiz in seinem Laptop einzutragen. Das hat er auch
gemacht, allerdings den Laptop danach im Studio vergessen. Draufgekommen
sind wir, als Herb verzweifelt angerufen hat, weil er seine Wohnungsadresse
vergessen hat. Gott sei Dank hatte er sie am Laptop notiert.
10.10.
2003
Die Texte sind endlich da. Kurt und ich gehen die 74 verschiedenen Möglichkeiten,
das Wort "low" zu singen, durch. Nach zweieinhalb Stunden haben
wir uns geeinigt. Ich schließe den Kompromiss aber unter der Voraussetzung,
dass Kurt nicht mehr tanzt, während ich aufnehme.
11.10.2003
Unser Umgangston wird immer rauher. Statt „bitte“ sagen wir
„aber ein bisschen plötzlich“, statt „danke“
heißt es „wurde aber auch Zeit“. Dazwischen ertönen
Sätze wie „Wenn du dich noch einmal verspielst, hat dieser
Song eben keine Gitarre!“ oder „Herr Produzent, das war jetzt
ihr dritter Fehler innerhalb von 23 Minuten. Ich kann so nicht arbeiten!“
Der Gebrauch speziell ordinärer Wörter, die dann Francis den
Kopf schütteln und die Augen verdrehen lassen, ist ebenfalls im Steigen
begriffen. Nur Herb versucht mittels esoterischem Kommunikationsseminarwissen
ein besseres Verständnis zwischen allen Beteiligten herzustellen.
Es heißt
zwar „was sich liebt, neckt sich“. Aber ich bin der Meinung
dass Liebe mehr ist; dass ohne Liebe alles nichts ist; dass alles was
du brauchst Liebe ist, und dass man darüber mal ein Lied schreiben
sollte ... jetzt muss ich aber zu schreiben aufhören. Kurt sagt,
ich solle meinen verdammten Arsch in die Gesangskoje bewegen. Seufz.
Heute war
eine Maus im Studio.
12.10.2003
Heute wars eine Katze. Als sie sich hinter dem Kasten mit den Effektgeräten
versteckte (vermutlich, um auf die Maus zu warten), hatten wir schon alle
das Bild „Kurzschluss, tote Katze, kaputtes Studio, alle Aufnahmen
hin“ vor Augen. Mittels einer Scheibe Wurst gelang es uns aber,
die Katze hervor- und aus dem Studio zu locken.
Was uns mittlerweile
aber Sorgen macht, ist, dass die uns besuchenden Tiere immer größer
werden. Von der Stubenfliege zur Maus bis zur Katze ist es doch schon
eine schönes Stück. Herb, Francis und mir kann es im Grunde
egal sein – wir ziehen ja am Mittwoch wieder aus. Aber Kurt muss
noch eine Woche länger im Studio arbeiten, und wenn die Entwicklung
so weitergeht, ist am letzten Tag mit einem Nilpferd oder ähnlichem
zu rechnen.
13.10.2003
Langsam wird´s zäh. 12 Tage Studioarbeit mit zehn oder mehr
Stunden täglich führen mittlerweile zu Ermattungszuständen.
Wir sagen mittlerweile wieder „bitte“ und „danke“,
weil „aber ein bisschen plötzlich“ oder „wurde
aber auch Zeit“ zu anstrengend wäre.
14.10.2003
Die wenigen Fliegen, die noch hier sind, werden auch schon müde -
aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls brauchen wir mittlerweile
keinen Fliegenpracker mehr. Es reicht, sie mit der Fingerkuppe gegen die
Wand zu kicken.
15.10.2003
12 Nummern instrumental aufgenommen, davon 7 gesungen, 6 rough-gemixt.
Und sie klingen alle fein. Dementsprechend gut ist die Stimmung und die
Kräfte kehren zurück. Goodbye Achau and thank you for everything.
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